Wie die Chips das Lärmen lernten

Erst waren sie stumm, dann konnten sie nervig piepsen - heute kann man mit einem Computer ein ganzes Orchester ersetzen

Als die Gruppe Kraftwerk 1981 in ihrem Lied "Taschenrechner" sang: "Und wenn ich diese Taste drück, spielt er ein kleines Musikstück", war sie nicht nur musikalisch, sondern auch technologisch ihrer Zeit voraus. Denn zu dieser Zeit war der einzige bezahlbare Computer der ZX81 von Sinclair, und in seinem ein Kilobyte großen Speicher war einfach kein Platz für Sound. Der erste IBM-PC, der ebenfalls in diesem Jahr herauskam, hatte für seinen horrenden Preis von 10 000 Mark gerade mal einen Piepser eingebaut, der - wie der Name schon sagt - lediglich piepsen konnte.

Das änderte sich erst ein Jahr später mit dem legendären C 64 von Commodore, der wegen seines Aussehens als "Brotkiste" in die Geschichte einging. Immerhin drei Stimmen konnte man dem Rechner gleichzeitig entlocken, an Stereo war aber noch lange nicht zu denken. Und auch sonst war die akustische Qualität eher mit einer quietschenden Tür zu vergleichen. Der C 64 brachte nicht nur das endgültige Aus für den ZX81, sondern bescherte ihm auch den abwertenden Spitznamen "Türstopper", der ebenfalls auf die Bauform anspielte.

Bis 1985 änderte sich akustisch eigentlich nichts am Computersoundstandard, den der C 64 begründet hatte. In diesem Jahr hatte Atari eine zündende Idee und brachte mit dem Atari ST einen Homecomputer heraus, der mit einer MIDI-Schnittstelle ausgestattet war. Dieses Musical Instrument Digital Interface erlaubt es, elektronische Musikinstrumente wie zum Beispiel Keyboards per Computer zu steuern. Ataris ST war der erste Seriencomputer, der diese Möglichkeit nutzte und den Datenaustausch zwischen Computer und Musikinstrument ermöglichte. Der eingebaute Acht-Bit-Soundchip reichte zwar auch nur für drei Monostimmen, aber der Hauptprozessor arbeitete perfekt mit der MIDI-Schnittstelle zusammen. Musiker aus aller Welt erkannten damit die Zukunft der Computermusik, und nahezu jedes Tonstudio hatte einen ST an seine Mischpulte angeschlossen. Seit Anfang der neunziger Jahre gehört eine MIDI-Schnittstelle praktisch zum Standard bei Soundkarten.

Zwei Jahre nach der Vorstellung des ST, 1987, erschloß Commodore mit dem C-64-Nachfolger Amiga 500 völlig neue Klangwelten für den Massenmarkt: Vier-Kanal-Stereo war ab da das Maß aller Dinge, Musikprogrammierung direkt im Computer wurde so auch ohne teures technisches Zubehör möglich. Dies blieb auch lange Zeit Domäne des Amiga. Darum und wegen seiner enormen Grafikfähigkeiten galt er als die Spielemaschine schlechthin.

1989 meldete sich endlich der Personal Computer wieder zu Wort: Creative Labs stellte die erste Soundblaster-Soundkarte für IBM-kompatible PCs vor. Zwölf Stimmen und Stereosound - das war eine kleine Sensation für die piepsgestressten PC-Nutzer. Elf Jahre später erreichen die Soundkarten bis zu 1024 Stimmen und unterstützen verschiedene 3D-Soundformate. Im Vergleich zu diesen aktuellen Klangerzeugern erscheinen die musikalischen Fähigkeiten des C 64 zu Beginn der 80er wie ein fernes Echo aus der akustischen Steinzeit.




Ein Bericht von Marcus Höfer
Stand: 2000
Quelle: www.heise.de (?)

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